Die Digitalisierung hat die Arbeitswelt in den vergangenen 20 Jahren grundlegend verändert und wird es mit ihrer voranschreitenden Durchdringung weiterhin tun. Der proaktive Einsatz von Daten wird dabei zur weiteren Automatisierung von Geschäfts- und Entscheidungsprozessen beitragen. Bei der Einführung und Nutzung von datenbasierten Geschäftsprozessen ist die Künstliche Intelligenz (KI) eine Schlüsseltechnologie.

Im Rahmen einer Strategie zum Einsatz von KI-Technologien in brandenburgischen Unternehmen erarbeitet das Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Energie (MWAE) derzeit verschiedene Pilotmaßnahmen, mit denen die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen durch den gezielten Einsatz von KI-Anwendungen unterstützt wird. Die Ergebnisse und Erfahrungen aus den Aktivitäten fließen kontinuierlich in den Strategieprozess zur KI-Nutzung ein, der derzeit unter der Federführung vom Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur (MWFK) im Land Brandenburg umgesetzt wird und bis zum Jahr 2024 abgeschlossen sein soll.

Die KI-Strategie des MWAE adressiert die strategischen Ziele der Europäischen Union – insbesondere, indem sie darauf ausgerichtet ist, die Verbreitung von KI in brandenburgischen Unternehmen zu stärken und das Wohl der Menschen bei dieser Transformation durch das Prinzip Gute Arbeit in den Mittelpunkt zu stellen.[1]

Sowohl der Einsatz als auch die Entwicklung von KI-Anwendungen in Betrieben sind nicht nur aus rein wirtschaftlichen Aspekten sinnvoll. Die Nutzung von KI-Technologien erlaubt im Rahmen des einhergehenden Chancen-Managements die Gestaltung einer menschenzentrierten Arbeitsgestaltung, z. B. zur Reduktion der psychischen Arbeitsbelastung im Sinne von Guter Arbeit. Ferner muss sich die Wirtschaft durch den fortschreitenden Klimawandel neuen Anforderungen hinsichtlich Resilienz und CO2-Emissionen stellen. Um diesen zu begegnen, kann der Einsatz von KI-Anwendungen sinnvoll oder sogar zwingend notwendig sein.

Die Verbreitung von generativen KI-Modellen stellt einen Wendepunkt in der Entwicklung und Verwendung künstlicher Intelligenz dar. Ein zentraler Meilenstein ist dabei das Transformer-Modell, welches als Grundlagen für Modelle wie GPT (Generative Pretrained Transformer) dient. Der darauf basierende Chatbot, ChatGPT-4 (veröffentlicht im März 2023), und folgenden Version und Konkurrenzprodukte werden sich als wertvolle Werkzeuge im betrieblichen Alltag etablieren. Möglichkeiten zur Effizienzsteigerung und Automatisierung, besonders in den Bereichen Inhaltserstellung, Kundenbetreuung und Softwareentwicklung, eröffnen sich zeitnah. Eine Sensibilisierung und Bildung der Anwender muss berücksichtigt werden.

Definition von Künstlicher Intelligenz (KI)

Als Künstliche Intelligenz können grundsätzlich alle intelligenten Verfahren der Datenanalyse verstanden werden, wobei sowohl „Daten“ als auch „intelligente Verfahren“ im Kontext der KI-Strategie weit gefasst werden. Dadurch kann das Wertschöpfungspotenzial der KI, das im Rahmen der Digitalisierung der Wirtschaft durch neu vorliegende Datenbestände erwächst, vollumfänglich erfasst werden. Dies bedeutet, dass sowohl datengetriebene Anwendungsfälle[2] als auch wissensgetriebene Anwendungsfälle[3] sowie hybride Anwendungen berücksichtigt werden. Der Aspekt der Datenveräußerung als Zugewinn ist hingegen in diesem Kontext nicht relevant und wird nicht weiter betrachtet.

 

 

Generell lassen sich drei Klassen von Akteuren unterscheiden: KI-Anwender, KI-Anbieter und KI-Enabler:
  • KI-Anwender: Als KI-Anwender werden Unternehmen beschrieben, die unter der Nutzung von KI einen Mehrwert bzw. Zugewinn für ihr Geschäft generieren. Die Unternehmen bieten regulär Produkte und Dienste auf etablierten Märkten an. Ihr Wertschöpfungspotenzial durch KI-Anwendungen besteht darin, ihr Angebot günstiger, besser, flexibler, schneller oder auch zuverlässiger zu gestalten bzw. mithilfe von KI-Technologien Geschäftsmodell- und Produktinnovationen umzusetzen, um hierdurch jetzt oder binnen der kommenden fünf Jahre eine neue Wertschöpfung bzw. den Erhalt in ihrem Kerngeschäft zu gewährleisten.
  • Primär sollen in der Betrachtung diejenigen Unternehmen berücksichtigt werden, die standardisierte und ggf. kundenspezifisch angepasste KI-Anwendungen einsetzen werden, aber auch jene, die spezielle unternehmensspezifische KI-Anwendungen einsetzen werden. Brandenburgische Beispiele reichen von der Lausitzer Energie AG, die zusammen mit dem KI-Anbieter ABB eine KI-basierte Software für Bandanlagen entwickelt, bis hin zu einem lokalen Friseursalon, der einen Sprachassistenten zur Terminplanung einsetzt.
  • KI-Anbieter: Dagegen werden jene Unternehmen und Organisationen als KI-Anbieter verstanden, die Dienste und Produkte entwickeln, bei denen die KI im Kern des Wertversprechens steht. KI-Anbieter-Unternehmen sind meist der Informations- und Kommunikationstechnik (IKT)-Branche zuzurechnen. Ihre Zielmärkte können hingegen verschiedensten Branchen zugerechnet werden. Auch anwendungsorientierte Forschungseinrichtungen zählen zu den KI-Anbietern. Als Untergruppen gilt es folgende zu unterscheiden:
  • Etablierte internationale IKT-Anbieter wie Google, IBM oder SAP, die in ihrem Portfolio auch KI-Produkte und KI-Dienstleistungen anbieten
  • KI-Start-ups mit neuen und einzigartigen Diensten oder Produkten. Ein brandenburgisches Beispiel ist die Seerene GmbH, die einen Monitoring- und Prozessoptimierungsdienst für die IKT-Branche anbietet.
  • KI-Dienstleister, die KI-Technologien für Unternehmenskunden anpassen und aufsetzen
  • Angewandte Forschungseinrichtungen wie die Brandenburgische Technische Universität (BTU) Cottbus-Senftenberg und Public Private Partnerships (PPP) wie das Hasso-Plattner-Institut (HPI), die in Kollaboration mit Unternehmen KI-Anwendungen erforschen und entwickeln.
  • KI-Enabler: KI-Enabler sind Unternehmen oder Einrichtungen, die selbst weder KI-Technologien einsetzen noch entwickeln, die jedoch die Rahmenbedingungen schaffen, damit KI in der Wirtschaft zum Einsatz kommen kann. Brandenburgische Beispiele sind der MediaTech Hub Potsdam oder das Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum Cottbus.

     

Herausforderungen und Hemmnisse für Unternehmen beim KI-Einsatz

Auf überregionaler Ebene verfolgen Akteure wie der Bund, die Europäische Kommission und verschiedene Verbände das politische Ziel, den Einsatz von KI in der Wirtschaft zu fördern. In diesem Zuge sind viele der Innovationshemmnisse, die u. a. auch in den Expert:innen-Workshops und 
-Interviews genannt wurden, bereits in Studien und Gutachten identifiziert worden. Im Folgenden werden die zentralen Hemmnisse zusammengefasst:

Digitalisierung der Wirtschaft

Die Digitalisierung der Wirtschaft ist eine Voraussetzung für den Einsatz von KI. Nur dort, wo in einem Unternehmen oder einer Organisation wertschöpfungsrelevante Daten in digitaler Form und durch ein ganzheitliches Management von Daten (Data Governance) verwaltet vorliegen, kann KI zum Einsatz kommen. Der Digitalisierungsgrad[4] der Wirtschaft ist daher nicht nur ein politisches Ziel, sondern auch ein Indikator für die sogenannte „KI-Readiness“[5]. Beim derzeitigen Stand des IKT-Angebots birgt die Digitalisierung der Wirtschaft allerdings nicht nur Chancen, sondern auch Risiken. Da in vielen Branchen und Anwendungsfällen die günstigsten, flexibelsten und technisch ausgereiftesten Angebote aus den USA stammen[6], geht die Digitalisierung oftmals auch mit Einbußen in digitaler Souveränität und der Gefahr des Verlusts der Datenhoheit einher.

Normung und Standardisierung der Daten und Schnittstellen

In vielen Branchen und Geschäftsfeldern haben sich noch keine einheitlichen Standards zu Datenformaten, Datenmodellen und -schnittstellen etabliert. Diese Variabilität in den Datenbeständen steht der Entwicklung skalierbarer KI-Lösungen im Weg, da sich hieraus aufwändige Anpassungen für den jeweiligen Anwender ergeben – was wiederum die Wirtschaftlichkeit von KI-Anwendungen mindert und einen großen Fachkräftebedarf generiert. Gerade für kleine Unternehmen stellt sich häufig die Frage der Wirtschaftlichkeit. Daher werden selbst Projekte, die prinzipiell sinnvolle und realisierbare KI-Anwendungen hervorbringen könnten, aufgrund der hohen Initialinvestition oft nicht umgesetzt.

 

Innerbetriebliche Akzeptanz

Die Einführung von KI-Lösungen scheitert oft an Vorbehalten der Belegschaft[7] ebenso wie an der Ablehnung der Unternehmensführung[8]. Diese Sorgen und Ängste sind grundsätzlich begründet und sollten ernst genommen werden. Im Rahmen eines Change Managements können hierfür Aspekte Guter Arbeit befördert werden:

  • Viele potenzielle KI-Anwendungen scheitern an Informations- und Kommunikationsdefiziten. Zweifler:innen können überzeugt werden, wenn die wirtschaftlichen Vorteile von KI und der Innovationsdruck für alle innerbetrieblichen Akteure ersichtlich sind und Bedenken in der Umsetzungsplanung berücksichtigt werden.
  • Verantwortungsvolle Technikgestaltung kann mangelndem Vertrauen in Daten und KI-Modellen entgegenwirken. Dies betrifft die Themenkomplexe der Informationssicherheit und digitalen Souveränität, der Fairness, Transparenz und Nachvollziehbarkeit von KI-Systemen sowie der Zuverlässigkeit von Daten und KI-Systemen.
  • Die Zertifizierung von Qualitätsmerkmalen und Ethikstandards ist ein wichtiges Instrument, um Vertrauen zu stiften. Entsprechende Zertifizierungsangebote sind derzeit Gegenstand der Forschung und Entwicklung.[9]
 
Mangelnde Innovationsfähigkeit

Der Ruf der deutschen Wirtschaft als „Innovationsmuffel“ bezieht sich nicht nur auf KI-Technologien, sondern auf digitale Technologien insgesamt.[10] Jedoch kommt er im Bereich der KI aufgrund folgender Faktoren besonders zum Tragen:

Der Fachkräftemangel ist bei der Umsetzung von KI-Anwendungen besonders eklatant, da KI-Anwendungen fast immer entsprechend aus- oder weitergebildetes Personal erfordern und in diesen Bereichen der Fachkräftemangel besonders stark ausgeprägt ist.

Die Öffnung der Wirtschaft zur vertrauensvollen Zusammenarbeit in Wertschöpfungsnetzen ist für KI-Anwendungen besonders wichtig, insbesondere wegen der starken Bedeutung von Normung und Standardisierung für den KI-Einsatz, wegen der großen Relevanz des Teilens eigener Daten (Data Sharing) für die KI-Wertschöpfung sowie wegen der Möglichkeit, durch KI-Geschäftsmodelle oder Produktangebote zu flexibilisieren.

 

Unklare Rechtslage und befürchtete Überregulierung

Im Hinblick auf die Stärkung der Bürgerrechte und im Interesse der europäischen Wirtschaft arbeiten die Europäische Kommission und ihre Mitgliedsstaaten kontinuierlich an einer Reihe von regulatorischen Initiativen. Für das Thema KI sind neben der Datenschutzgrundverordnung besonders der „Data Governance Act“ und das KI-Gesetz relevant ebenso wie auch der „Digital Market Act“ und der „Digital Service Act“, wobei letztere die gesamte Digitalwirtschaft betreffen.

Zudem treibt aktuell auch die Bundesnetzagentur, als Regulierungsbehörde für KI in Deutschland, einen kontinuierlichen Dialog mit allen Akteuren aus den Netzsektoren zum Themenbereich KI voran.[11]

Sämtliche Regulierungsaktivitäten haben zum Teil einen negativen Einfluss auf die Wirtschaftlichkeit vieler KI-Anwendungen, da mit den regulativen Eingriffen auch die Umsetzungskosten steigen. Zudem dürften vor allem kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) aufgrund des Verbots bestimmter Anwendungen[12] sowie aufgrund aktueller und weiterhin zu erwartender regulatorischer Unsicherheiten von KI-Innovationsprojekten abgeschreckt werden.

 

 

Strategische Herleitung

Zunächst erfolgte eine Desktop Research, bestehend aus einer Literatur- und Datenanalyse, sowie die Analyse des brandenburgischen Innovationssystems. Die benutzen Datenquellen zur Datenanalyse mit zugehörigen Fragestellungen sind in Tabelle 1 aufgeführt.

Auf Basis der Desktop Research wurde eine Bestandsanalyse aufbereitet und erste Schwerpunktthemen sowie Maßnahmen wurden abgeleitet. Parallel hierzu erfolgte die Identifikation von Schlüsselakteuren. Diese Arbeiten stellen die Analyse und Faktensammlung für den strategischen Handlungsrahmen für den Einsatz von KI in der brandenburgischen Wirtschaft dar.

Danach wurden die Ergebnisse der Desktop Research sowie Ansätze für Themenschwerpunkte und Maßnahmen der KI-Strategie mittels Einbindung von Schlüsselakteuren validiert und ergänzt. Dies geschah mithilfe von Expert:innen-Interviews und Workshops.

Basierend auf den Ergebnissen zum Status des KI-Einsatzes in Brandenburgs Unternehmen wurde eine Stärken-Schwächen-Bewertung (SWOT-Analyse) vorgenommen. Die Ergebnisse und Erkenntnisse wurden anschließend dazu genutzt, Strategien mit zentralen Handlungsfeldern und entsprechenden Maßnahmen abzuleiten, um den KI-Einsatz in Unternehmen nachhaltig zu fördern. Sowohl die Priorisierung der Handlungsfelder als auch die Auswahl der entsprechenden Maßnahmen stützt sich dabei auf die reflektierte Einschätzung und Bewertung der eingebundenen Schlüsselakteure. Neben Expert:innen aus Unternehmen, Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen zählen dazu auch Akteure aus Beratungs- und Transfereinrichtungen.

 

 

  1. Zur Europäischen Strategie für das digitale Zeitalter siehe die Website der Europäischen Kommission zum Thema „Künstliche Intelligenz – Exzellenz und Vertrauen“ https://ec.europa.eu/info/strategy/priorities-2019-2024/europe-fit-digi…
  2. Hierzu zählen u. a. Großdaten-Analysen (Big-Data-Analytics) mit statistischen Modellen und Maschinelles Lernen (Machine Learning)
  3. Beispielsweise die Planung oder Schlussfolgerung mit kleinen Wissensbasen
  4. Vgl. https://www.de.digital/DIGITAL/Navigation/DE/Lagebild/Indikatorentool/indikatorentool.html
  5. Vgl. KI-Readiness-Check des DFKI verfügbar unter https://werner.dfki.de/readiness-welcome
  6. Erwähnt seien hier die großen Cloud-Service-Anbieter Amazon, Google und Microsoft.
  7. Diese basieren z. B. auf Angst vor Arbeitsplatzverlust, Angst vor Überwachung, Angst um die Arbeitssicherheit.
  8. Basiert z. B. auf Angst vor Verlust der Datenhoheit bzw. Abfluss von Geschäftsgeheimnissen, Angst vor Haftungsfällen etc.
  9. DKE Deutsche Kommission Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik in DIN und VDE (2020): Deutsche Normungsroadmap Künstliche Intelligenz https://www.dke.de/de/arbeitsfelder/core-safety/normungsroadmap-ki
  10. https://www.handelsblatt.com/politik/international/standortwettbewerb-drittletzter-von-20-staaten-frankreich-und-italien-haengen-deutschland-bei-der-digitalisierung-ab/27569412.html?ticket=ST-6274502-jc1BrxYJ0cqLM5gupN1X-ap5
  11. Bundesnetzagentur (2021): Künstliche Intelligenz in den Netzsektoren https://www.bundesnetzagentur.de/_tools/122/start.html
  12. Wie zum Beispiel durch die Zweckbindung personenbezogener Daten.